In ihrem Bericht über die Härtefallregelung im Asylbereich kommt die Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH zum Ergebnis, dass die unterschiedliche Umsetzung in den Kantonen den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Die SFH fordert daher eine Harmonisierung der Praxis durch Stärkung der Verfahrensrechte der Betroffenen sowie die Einsetzung von Härtefallkommissionen.
- Thomas Bauer, Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH 24. März 2009
Bericht: Die Härtefallregelung im Asylbereich ► lesen (pdf 800KB)
Die SFH fordert eine pragmatische und rechtsstaatliche Umsetzung der Härtefallbestimmung und schlägt folgende Massnahmen vor:
- Gegen ablehnende Entscheide auf kantonaler Ebene soll ein Rechtsweg eröffnet werden.
- Härtefallkommissionen, in denen auch Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft Einsitz haben, sollen den kantonalen Behörden zur Seite gestellt werden.
- Das Bundesamt für Migration ist aufgefordert, die Harmonisierung der kantonalen Praxis durch klare und präzise Weisungen voranzutreiben.
Mit der Umsetzung dieser Vorschläge könnten schweizweit eine einheitlichere und gerechtere Praxis entwickelt und Lösungen gefunden werden, die der Realität der betroffenen Menschen Rechnung tragen.
Die Härtefallprüfung in Graubünden für abgewiesene Asylsuchende
Aus dem SFH Bericht Kapitel 1 Analyse:
1. Statistik
Gutheissungen Härtefallregelungen vom 1.1.2007 bis 31.12.2008 Personengruppe Verfahren abgeschlossen (also abgewiesene Asylsuchende): VD 490 Personen / GR 0 Personen. (Anmerkung: VD werden 8.4% und GR 2.7% der Asylsuchenden gemäss offiziellem Verteilschlüssel und Bevölkerungszahl zugewiesen.)
Tabellen aus dem Bericht ► 2007 ► 2008
2. Rechtliche Grundlagen:
„...Abgewiesene Asylsuchende ... gehören zweifellos zu den Personengruppen, die unter den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 2 fallen.“
3. Ermessensausübung im Spannungsfeld von Recht und Politik
3.2 «Kann-Bestimmung»
„Bei der Beurteilung von Härtefällen handelt es sich um eine Rechtsfindung, die in erhöhtem Masse gesellschaftlichen Werten und politischen Auffassungen folgt. In der Anwendung der Härtefallregelung nach 30 AuG i.V.m. Art. 14 Abs. 2 AsylG bestehen in den Kantonen denn auch zwei gegensätzliche Ansichten, die auf unterschiedlichen Grundvorstellungen beruhen. Manche Kantone sehen es als Chance, gut integrierten Menschen ohne rechtlichen Status, die seit langem in der Schweiz leben und aus verschiedenen Gründen nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren können, eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Andere Kantone sind der Meinung, dass Personen, welche der Wegweisung nicht Folge leisten und damit ihre Mitwirkungspflicht verletzen, nicht durch die nachträgliche Vergabe einer Aufenthaltsbewilligung belohnt werden sollen. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen führen zu unterschiedlichen Praktiken. So machen liberale Kantone verstärkt Gebrauch von der gesetzlichen «Kann-Bestimmung» und beantragen beim BFM die Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für jene Personen, welche die Härtefallkriterien gemäss kantonalem Ermessen erfüllen. Umgekehrt kann ein Kanton aufgrund von Art. 14 Abs. 2 weder vom Gesuchsteller noch vom BFM verpflichtet werden. das Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu prüfen. Bis dato hat das BFM rund 90 Prozent der vorgeschlagenen Härtefälle gut geheissen. Dies lässt den Schluss zu, dass Kantone, welche von der Regularisierungsmöglichkeit des Art. 14 Abs. 2 AsylG rege Gebrauch machen, sich mit ihrer Praxis im gesetzlichen Rahmen bewegen. Die restriktive Praxis mancher Kantone, die kaum Gesuche an das BFM weiterleiten, ist somit selbstauferlegt und nicht vom BFM gefördert.
Der Kanton GR vertritt beispielsweise die Auffassung, dass er keine Fälle abgewiesener Asylsuchender zu behandeln hat, was sich auch in der Statistik niederschlägt. Es fragt sich natürlich, ob eine solche Handhabung der «Kann-Bestimmung» legitim ist. Die Abgrenzung zwischen Angemessenheit und Ermessensmissbrauch ist sehr heikel und wird durch die gesetzlichen Verwaltungsvorschriften weiter erschwert.“
Dazu die Stellungnahme von Rechtsanwalt Marc Spescha vom Juli 2008 zu Handen des Graubündner Regierungsrates:
„4. Bundesgesetze sind grundrechtskonform auszulegen
Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Annahme der zuständigen Behörden des Kantons Graubünden, wonach sie von den beschriebenen Verpflichtungen enthoben seien und eine Härtefallprüfung auch dann nicht vorzunehmen sei, wenn die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Härtefallbewilligung erfüllt sind, widerspricht der Absicht des Gesetzgebers und missachtet die verfassungsmässige Verpflichtung zur grundrechtskonformen Auslegung von Bundesgesetzen. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist der Standpunkt des Kantons Graubünden daher offensichtlich unhaltbar und er ist daher gehalten, seine bisherige Praxis aufzugeben.“
► Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Marc Spescha vom Juli 2008 (pdf 77KB)